Protokoll des ersten deutschen CryoSat-Nutzerworkshops

am 28./29. Mai 2001 in Bremerhaven

Christian Haas, Wissenschaftliches Projektbüro zur Nutzungsvorbereitung der CryoSat-Mission in Deutschland, Alfred-Wegener-Institut, Bremerhaven

 

Zusammenfassung

Am 28./29. Mai 2001 wurde vom wissenschaftlichen Projektbüro zur Nutzungsvorbereitung der CryoSat-Mission in Deutschland ein erster Nutzerworkshop durchgeführt. Der Workshop fand am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven statt. Das Ziel des Workshops war eine umfangreiche Information der potentiellen zukünftigen Nutzer der Mission über Ziele und Anwendungsmöglichkeiten der Daten der Mission. Dazu wurden Vertreter von ESA und DLR, der Industrie (Astrium GmbH, Friedrichshafen), der wissenschaftlichen Lenkungsgruppe (CryoSat-SSG), sowie potentielle Nutzer von CryoSat-Daten eingeladen (siehe Teilnehmerliste im Anhang). Letztere setzten sich aus Wissenschaftlern aus vielen deutschen Instituten zusammen, die sich im Rahmen von Feld-, Fernerkundungs-, oder Modellstudien mit der Kryosphäre beschäftigen und durch Verwendung von CryoSat-Daten völlig neue Möglichkeiten bekommen werden. Die Kerninteressen und Anwendungen deutscher Wissenschaftsgruppen wurden vorgestellt.

Im Folgenden werden die Inhalte der einzelnen Beiträge kurz zusammengefasst. Im Anhang befinden sich eine Teilnehmerliste, sowie eine kurze englische Zusammenfassung des Workshops.

 

Tag 1, 28.5.2001, 13:00-18:30 Uhr

Begrüssung, Aufgaben und Ziele des deutschen Projektbüros: C. Haas, CryoSat-Projektbüro

Nach der allgemeinen Begrüssung wurden die Aufgaben und Ziele des wissenschaftlichen Projektbüros zur Nutzungsvorbereitung der CryoSat-Mission kurz vorgestellt. Das wesentliche Ziel des Büros ist die optimale Ausnutzung der Daten der Mission durch deutsche Wissenschaftler, um den grossen Beiträgen Deutschlands bei Planung und Durchführung der Misson, auch bei der Auswertung zu entsprechen. Dazu gehört die Koordinierung von deutschen Nutzern und die Entwicklung gemeinsamer Konzepte zur Bearbeitung und Nutzung der Daten. Das Projektbüro will über die Möglichkeiten durch die Mission informieren und eine zentrale Kontaktstelle für alle CryoSat-Angelegenheiten sein. Darüber hinaus wird das Projektbüro Defizite bei der Datenausnutzung identifizieren und nationalen und europäischen Förderbedarf definieren.

CryoSat- The first mission of the Earth Observation Envelope Program: M. R. Drinkwater, ESA/ESTEC

Die CryoSat-Mission ist die erste Mission, die im Rahmen des ESA-"Earth Opportunity Missions"-Programmes durchgeführt werden. Innerhalb dieses Programmes werden Missionen zu sehr eng begrenzten geowissenschaftlichen Fragestellungen durchgeführt. Dabei sollen neue Sensortechnologien entwickelt werden, um konkrete Fragestellungen besser beantworten zu können und die Kompetenzen der europäischen Industrie zu fördern. Andererseits sollen die Missionen innerhalb kurzer Zeit durchgeführt werden und auf bewährte Raumfahrttechnologie zurückgreifen, um möglichst kostengünstig zu sein.

Die "Earth Opportunity Missions" sind Teil des "Earth Explorer"-Programmes, in dem unter anderem auch die GOCE-Mission ("Gravity and steady-state Ocean Circulation Explorer") mit starker deutscher Beteiligung durchgeführt wird. Die "Earth-Explorer" sind wiederum Teile des "Living Planet"-Programmes, in welchem die langfristige Erforschung und Beobachtung der Erde verankert ist. Das Earth-Watch-Programm bietet auch die Möglichkeit, die bei CryoSat gemachten Erfahrungen insbesondere mit dem speziellen Radaraltimeter auf andere zukünftige Missionen anzuwenden, um so die Kontinuität der Messungen zu gewährleisten. In diesem Sinne ist CryoSat selber ebenfalls nur eine neue Phase eines bereits länger währenden Beobachtungsprogrammes der ESA der Kryosphäre, das mit ERS-1&2 sowie ENVISAT seinen Anfang nahm.

Scientific goals of the CryoSat-Mission: D. Wingham, UCL London

Die CryoSat-Mission wurde von einer Gruppe europäischer Wissenschaftler unter der Leitung von D. Wingham als erste "Earth Opportunity"-Mission vorgeschlagen und aus einer Vielzahl anderer Missionsvorschläge als derzeit attraktivste ausgewählt. Nicht nur die technische Herausforderung und Realisierbarkeit war dabei ein Kriterium, sondern insbesondere die auch in der Öffentlichkeit diskutierten Fragestellungen, die sich auf Veränderungen des Erdklimas und insbesondere ihrer Auswirkungen auf die Kryosphäre beziehen. Die wesentlichen Zukunftsszenarien sind dabei das Schmelzen der antarktischen und grönländischen Eiskappen und der damit verbundene globale Meeresspiegelanstieg, sowie das Verschwinden des arktischen Meereises. Die Messungen von CryoSat sollen dazu beitragen, solche Szenarien zu konkretisieren und ihre Vorhersagbarkeit zu verbessern. CryoSat wird entsprechende Daten der Oberflächenhöhen der Eisschilde und der Dicke des Meereises liefern, die zur Verbesserung und Validierung von numerischen Eis(vorhersage)modellen dienen sollen. Über die Dauer der Mission und während nachfolgender Missionen werden ausserdem längere Zeitreihen dieser Parameter gewonnen, die es ermöglichen, sowohl die natürliche Variabilität als auch eventuelle Trends in der Dicke der Eismassen zu beobachten.

CryoSat wird erstmalig Daten aus hohen Breiten bis 88°N/S liefern, und als einziges wesentliches Messgerät ein spezielles Radaraltimeter (SIRAL: Synthetik-Apertur, Interferometrisches Radaraltimeter) tragen, das für die Vermessung von Eis optimiert wurde. Konnten von Satelliten bislang nur Messungen der Flächenausdehnung der Eismassen der Erde durchgeführt werden, wird durch CryoSat erstmalig auch eine Bestimmung ihres Volumens möglich.

CryoSat-Raumsegment und Ablauf der industriellen Aktivitäten: U. Mallow, Astrium GmbH

Astrium GmbH (Friedrichshafen am Bodensee) ist der industrielle Hauptpartner der CryoSat-Mission und somit zuständig für das Raumsegment, d.h. den Bau des Satelliten als Trägerplattform und die Integration aller wissenschaftlichen und technischen Geräte, die zum Betrieb des Satelliten benötigt werden. Bei der Satellitenhardware wird weitestgehend auf alte bewährte Technologie zurückgegriffen, um die Kosten und die Bauzeit so gering wie möglich zu halten. Zum Zeitpunkt des Workshops befand sich die Mission gerade am Ende der Phasen A und B, die mit einem Design-Review abgeschlossen wurde. Der Design-Review bemängelte die mangelnde Redundanz des SIRAL, so dass die technischen Planungen für den Satelliten modifiziert werden mussten. Dadurch wird sich der CryoSat-Start von November 2003 auf April 2004 verzögern. Seitens der Industrie soll dieser Termin strikt eingehalten werden, was im Hinblick auf Validierungskampagnen dringend notwendig ist. Nach erfolgreichem System-Design-Review wird die Phase C der Mission beginnen, in der zwischen den Industriepartnern konkrete Verhandlungen über den Bau des Satelliten durchgeführt werden und mit dem Bau begonnen wird.

 

 

SIRAL: Aufbau, Funktion und Kalibration: F. Rostan, Astrium GmbH

Das SIRAL (Synthetik-Apertur, Interferometrisches Radaraltimeter) ist das einzige zentrale wissenschaftliche Messgerät von CryoSat, das insbesondere für die speziellen Anforderungen entwickelt wurde, die Land- und Meereis an genaue Radaraltimetermessungen stellen. Mit herkömmlichen Radaraltimetern, die für die Vermessungen der Meeresoberflächenhöhe entwickelt wurden, lassen sich die eisbedeckten Gebiete nicht vermessen. Beim Meereis führt die Koexistenz von Eisschollen und eisfreien Rinnen oder Waken zu spiegelnden Reflexionen, die eine herkömmliche Auswertung unmöglich machen. Mit der synthetischen Apertur des Radars wird dessen räumliche Auflösung in Flugrichtung erhöht, so dass sich Eis und Wasser besser trennen lassen. Der Footprint des SIRAL, d.h. die Fläche, aus der nennenswerte Beiträge des gemessenen Signals kommen, hat entlang der Flugrichtung nur einen Durchmesser von 280 m, was einem Blickwinkel von 0.022° entspricht. Die Probleme bei der Vermessung von Landeis entstehen insbesondere durch die Neigung der Eisoberfläche, wodurch das Signal nicht direkt aus dem Nadir kommt, d.h. dem Punkt genau unter dem Satelliten. Mit Hilfe der Interferometrie lässt sich die Geländeneigung bestimmen. Dazu wird CryoSat eine zweite Radarantenne besitzen, die eine Basislinie von 1.2 m bildet. Dadurch wird eine Winkelmessung von 0.01° bei einer lateralen Auflösung von 125 m möglich.

Grosse Messfehler entstehen normalerweise beim Verfolgen des Radarechos ("Tracking") über starken Höhenänderungen. SIRAL wird mit einem langen Empfangsfenster ausgestattet sein (512 Abtastwerte), um die Trackingprobleme zu minimieren. Simulationen über den Anden, die als besonders schwierig eingestuft werden, haben einen Trackingverlust von nur 0.32% ergeben. Technologisch steht damit beispielsweise auch einer Vermessung kleiner Eiskappen und Gletscher nichts im Wege. Allerdings wird es schwierig sein, diese Gebiete regelmässig zu vermessen, um statistische Messfehler zu beseitigen.

Status Cal/Val, Processing/Archiving, Level 2, AO's: H. Rebhan, ESA-ESTEC

Vor und nach dem Start von CryoSat gibt es für die Nutzer verschiedene Möglichkeiten, Daten zu erhalten oder an der Verbesserung der geophysikalischen Produkte mitzuarbeiten. Die Möglichkeiten dazu werden von der ESA definiert und im Rahmen von AOs (Announcement of Opportunity) allgemein bekanntgegeben. Für die CryoSat-Mission sind bislang drei AOs vorgesehen. Das erste AO wird sich auf die Durchführung von CAL/Val-Aktivitäten beziehen und soll bereits im Herbst 2001 veröffentlicht werden. PIs (Principal Investigators) wird es ermöglicht, bereits direkt nach dem Start Daten zu bekommen, um diese mit Hilfe von Ground-Truth-Messungen zu validieren. Erst nach der Commissioning und Validation Phase, während der es mehr Kreuzungspunkte der Orbits geben wird, wird CryoSat in einen quasi-operationellen Modus übergehen (Science Phase), und die eigentlichen Daten liefern. Es sollen routinemässig Level-2-Daten erzeugt werden, d.h. Eisdicken und Oberflächenhöhen entlang der Orbits. Zugriff auf diese Daten wird im Rahmen weiterer AOs für Data Exploitation und Exploitation/Experimentation ermöglicht. Es ist vorgesehen, sämtliche Level-2-Daten einmal zu reprozessieren, um die anfangs gemachten Erfahrungen mit den Daten einzubringen und die Produkte zu verbessern.

Das Bodensegment, d.h. Empfang, Prozessierung und Verteilung der Daten soll in Kiruna (Schweden) eingerichtet werden.

Landeismessungen: H. Miller, AWI Bremerhaven

Eine der grössten Umweltveränderungen, die durch eine globale Klimaerwärmung verursacht würden, wäre der Anstieg des Meeresspiegels als Folge des Abschmelzens der Eiskappen Grönlands und der Antarktis. Um derartige Veränderungen genauer vorhersagen zu können, ist eine genaue Kenntnis der Massenbilanz und der Prozesse der grossen Eisschilde notwendig. Aufgrund der gewaltigen Grösse der Eisschilde fehlen bislang zuverlässige Daten über die Massenbilanz der meisten Gebiete. Um mögliche Veränderungen verstehen und vorhersagen zu können, ist der Einsatz numerischer Modelle erforderlich. Die Erfüllung dieser Anforderungen wird durch CryoSat wesentlich realisiert, da der Satellit sowohl Aussagen über die räumliche und zeitliche Variabilität (wenige Jahre) zulassen wird, als auch eine genaue Darstellung der Oberflächenhöhen der Eisschilde, die für eine realistische Modellierung erforderlich ist.

Eine besondere Herausforderung bei Landeisanwendungen sind die Eigenschaften des Schnees und Firns, da sie massgeblich die Eindringung der Radarwellen bestimmen. Somit können sich durch veränderte Schneeeigenschaften grosse scheinbare Schwankungen der Massenbilanz ergeben. Hier sind intensive in-situ-Studien nötig.

Meereisanwendungen: P. Lemke, AWI Bremerhaven

Die Diskussion um die Interpretation neuer U-Boot-Eisdickenmessungen, die eine drastische Abnahme des Eisvolumens in der Arktis suggerieren, zeigen, dass selbst die ausgedehnten U-Boot-Profile keine arktisweiten Aussagen zulassen. Meereis unterliegt so starken Schwankungen in den vorherrschenden atmosphärischen Zirkulations- und damit Driftsystemen, dass eine arktisweite Erfassung der Eisdicken notwendig ist, um die Massenbilanz zu quantifizieren. Numerische Modelle können die Flächenausdehnung und Drift des Meereises weitestgehend berechnen, über die Genauigkeit der Eisdicke und damit des Gesamtvolumens ist mangels Daten nichts bekannt. Flächendeckende Eisdickendaten sind erforderlich, um diese Modelle zu validieren.

Das neue hochauflösende Schwerefeld aus der GOCE-Mission als Beitrag zur Eisforschung? J. Flury, Deutsches GOCE-Projektbüro

GOCE ist die erste Core Mission aus dem neuen ESA Earth Explorer Programme, die 2005 gestartet werden soll. Ihr Hauptinstrument ist ein 3-Achsen-Schweregradiometer zur Vermessung des Gradienten des Erdschwerefeldes. Daraus lässt sich das Geoid bestimmen, und über den Ozeanen die Meeresoberflächentopographie. Diese bildet einen Anknüpfungspunkt zu CryoSat, da die Vermessung des Freibords von Meereis nur bei genauer Kenntnis des Meereshöhe möglich ist. Da GOCE nur eine Inklination von 97° haben wird, kann CryoSat andererseits die Meeresoberfläche in den Polargebieten bestimmen, wenn die Trennung von Eis und Wasser gelingt. Als Level-2-Produkt wird GOCE Kugelfunktionen hoher Ordnung liefern, die das Schwerefeld der gesamten Erde beschreiben.

 

Tag 2, 29.5.2001, 09:00-13:00 Uhr

Am zweiten Tag des Workshops wurde den potenziellen Nutzern von CryoSat-Daten die Möglichkeit gegeben, ihre Interessen und Erwartungen an die Mission zu präsentieren. Dazu war es nötig, die verschiedenen Ebenen der CryoSat-Nutzung zu herauszustellen, um die einzelnen Beiträge zu strukturieren.

Zunächst gibt es grundsätzlich sowohl Landeis- als auch Meereisanwendungen, die vollkommen unterschiedliche Ansätze bei der CryoSat-Nutzung haben. Obwohl beide die Bestimmung der Massenbilanz zum Ziel haben, müssen unterschiedliche räumliche und zeitliche Skalen berücksichtigt werden, was insbesondere durch die grosse Dynamik und Saisonalität des Meereises bedingt ist. CryoSat-Nutzer arbeiten auf verschiedenen Ebenen der Datenprodukte. Besonders grosses Interesse besteht an Validierungsprojekten, wobei Roh- bis Level-2-Daten genutzt werden. Diese Arbeiten sind für die Qualität und Abschätzung der Fehler der höherwertigen Datenprodukte von grosser Bedeutung. In integrativen Fernerkundungsstudien werden CryoSat-Daten mit anderen Fernerkundungsdaten kombiniert, um bestimmte Eigenschaften und Prozesse zu erforschen, die mit einem Sensor allein nicht erfassbar wären. Beispiele bilden Daten von Satelliten wie ENVISAT, RADARSAT, ASTER, QuickScat, Jason, oder DMSP. Die Kombination dieser Daten wird auch die Entwicklung neuer Algorithmen zur Ableitung geophysikalischer Parameter und höherwertiger Datenprodukte ermöglichen. Prozessstudien werden CryoSat-Daten aus begrenzten Gebieten benutzen, um kurzfristige Veränderungen zu beobachten und beispielsweise die Beobachtung anderer Parameter aus Bodenmessungen zu integrieren. Schliesslich gibt es die Gruppe der "Endnutzer", die auf gegriddete Level-3 und -4-Daten zurückgreifen möchte, um sie als Antriebs- oder Startfelder für numerische Modelle oder zur Assimilation zu verwenden. Ausserdem wird es Endnutzer geben, die die räumliche und zeitliche Variabilität in den fertigen geophysikalischen Produkten über den gesamten Lebenszyklus des Satelliten untersuchen wird.

 

Modellierung

Bedarf an CryoSat-Daten für Land- und Schelfeismodelle: K. Grosfeld, Uni Münster, R. Greve, TU Darmstadt

Computermodelle der Eisschilde und Schelfeise sind auf genaue Höhenmodelle der Eisoberfläche (und des Felsbettes) angewiesen, um die Kräftebilanzen und Eisdynamik berechnen zu können. CryoSat wird zu einer wesentlichen Verbesserung der räumlichen Auflösung digitaler Höhenmodelle führen. Dadurch wird insbesondere die Modellierung von Zonen verbessert, die kritisch für die Eisdynamik sind. Dazu gehören Eiskliffs, Eisströme, die Aufsetzlinie sowie Gebiete mit steiler Geländeneigung.

CryoSat wird ausserdem erstmalig grossräumige Daten südlich von 81.5°S liefern, von wo es bislang keine Satellitendaten gibt. Über Schelfeisen lässt sich mit Hilfe von CryoSat auch die Eisdicke bestimmen, wenn die Dichte des Eises sowie das Geoid bekannt ist. Die Aufsetzlinie lässt sich unter Umständen sehr genau aufgrund der Beobachtung gezeitenbedingter Veränderungen ableiten.

Zur Unterscheidung der verschiedenen Eisregime ist ausserdem die zusätzliche Angabe der Rückstreukoeffizienten hilfreich, da er Aussagen über die Oberflächenrauhigkeit erlaubt.

Schelfeisanwendungen: B. Rabus, DLR Oberpfaffenhofen

Am Beispiel des Thwaites Gletscher wird gezeigt, wie sich Fliessgeschwindigkeiten aus SAR-Interferometrie ableiten lassen. Durch zusätzliche Verwendung von CryoSat-Daten könnte man das Freibord des Schelfeises ableiten und daraus bessere Abschätzungen der Abschmelzraten an der Aufsetzlinie erhalten. Eine bestmögliche Bestimmung der Massenbilanz ergibt sich aus eine Kombination von Radaraltimetrie, interferometrischen SAR-Daten und flugzeuggetragenen Laseraltimetern.

Erstellung digitaler Höhenmodelle: U.C. Herzfeld, R. Stosius, Uni Trier

Mit Hilfe von Radaraltimeterdaten der Seasat, Geosat, und ERS-Missionen wurden in Trier digitale Höhenmodelle mit einer Auflösung von 3 km erzeugt, die in fünf Kartenreihen ein Gebiet zwischen 63 und 81.5°S abdecken. Dabei wurden speziell angepasste geostatistische Verfahren zur Interpolation (Kriging) zwischen den einzelnen Satellitenspuren benutzt. In steilen und zerklüfteten Gebieten haben diese Höhenmodelle jedoch grosse Fehler, da es in den Satellitendaten aufgrund fehlender Neigungskorrekturen und Trackerproblemen grosse Datenlücken gibt. CryoSat wird neue Daten bis in höhere Breiten liefern, und wegen des interferometrischen Radars weniger Datenlücken und Mehrdeutigkeiten besitzen. Somit können die digitalen Höhenmodelle verbessert und auf grössere Gebiete ausgedehnt werden. Zur vollen Ausnutzung der CryoSat-Mission wäre eine Orbitkonfiguration wie während der ERS-Geodetic-Phase wünschenswert.

Ozean-/Meereismodellierung: J. Schröter, AWI-Bremerhaven

Die Assimilation von Radaraltimeterdaten der Meeresoberflächentopographie in Ozeanmodelle wird seit einigen Jahren erfolgreich durchgeführt. CryoSat wird erstmalig auch die Assimilation von Eisdicken ermöglichen. Dadurch wird es zu einer deutlichen Modellverbesserung und zu einem besseren Verständnis der Rheologie und Eisdynamik kommen. CryoSat-Daten sind ausserdem für den Betrieb von Vorhersagemodellen und zur Abschätzung des Süsswasserhaushaltes nötig. Für die Assimilation ist die Angabe der Messwertgüte und der Oberflächeneigenschaften von grosser Bedeutung, um die Daten entsprechend wichten zu können. Die angebrachten Korrekturen (Tide, Feuchte der Atmosphäre) müssen gut dokumentiert sein. Für eine sinnvolle Assimilation sind die Daten in mindestens monatlicher Auflösung erforderlich, sowie eine genaue Ortsangabe der einzelnen Messung zur Vermeidung von räumlichem Aliasing. Es ist ausserdem zu bedenken, dass durch eine Verbesserung der Datengenauigkeit, beispielsweise durch Tiefpassfilterung, die räumliche Auflösung reduziert wird.

 

Prozessstudien/Validierung

CryoSat-Anwendungen an der Antarktischen Halbinsel: H. Gossmann, Uni Freiburg

An der Antarktischen Halbinsel lassen sich der Zerfall von Eisschelfen, der Rückzug von Gletscherfronten, Schneezonen auf Gletschern, sowie Gletscherfliessgeschwindigkeiten besonders gut beobachten. Aufgrund der schweren Zugänglichkeit des Gebietes spielt insbesondere die Kombination mehrerer Satellitensensoren eine grosse Rolle. Durch die zusätzliche Verwendung von CryoSat-Daten könnte man Schneezonen besser kartieren, die sich aufgrund unterschiedlicher Rückstreueigenschaften aus SAR-Bildern ableiten lassen. Ein Beispiel für eine Prozessstudie ist die Beobachtung erhöhter Fliessgeschwindigkeiten eines Zuflussgletschers nach dem Zerfall des Larsen Schelfeises aus SAR-Interferometrie. durch CryoSat-Höhenmessungen könnten diese Beobachtungen wesentlich vielseitiger interpretiert werden. Aus früheren Projekten gibt es sehr genaue Höhen-Informationen über King-George-Island, das sich deshalb als Validierungsgebiet für CryoSat eignen würde.

Validierung im Gebiet der Schirmacheroase: R. Dietrich, Uni Dresden

Das Gebiet der Schirmacheroase stellt einen typischen Eisrandfall dar, der als Beispiel für einen grossen Teil des Eisrandes der Antarktis dienen kann. Aufgrund mehrfacher früherer Expeditionen ist das Gebiet sehr gut bekannt, was insbesondere die Schelfeisgezeiten und die Untergrundtopographie betrifft. In der Vergangenheit wurden bereits Langzeittrends beobachtet, die sicher auch während der CryoSat-Ära fortdauern und die mit CryoSat-Daten weiterbeobachtet werden können. Im Hinterland der Oase gibt es unter anderem Blaueisfelder, die sich in ihrem Rückstreuverhalten von normalen Firngebieten deutlich unterscheiden. Mit Hilfe von kinematischem GPS wurden und werden Oberflächenundulationen vermessen, die über detailierte Rauhigkeitsstrukturen aufschluss geben. Solche Rauhigkeitsinformationen verbessern das Verständnis der Rückstreuung der Radarsignale.

Validierung im Gebiet Ekströmschelfeis/Dronning Maud Land/Grönland: H. Miller, AWI-Bremerhaven

Vom Ekströmschelfeis und angrenzenden Gebieten des Dronning Maud Land liegen eine Vielzahl an Informationen über Eisdicken und -eigenschaften vor, die während früherer Expeditionen und Fernerkundungsstudien gewonnen wurden. Diese Gebiete eignen deshalb sich besonders für eine Validierung der CryoSat-Mission. Dabei bilden das Ekström-Schelfeis und Dronning-Maud-Land zwei grundsätzlich unterschiedliche Eisregime, da ersteres für ein Schelfeis mit teilweisem Oberflächenschmelzen representativ ist, während Dronning-Maud-Land ein Beispiel für ein kaltes Hochplateau darstellt. Aufgrund der Nähe zur Neumayer- und Kohnen-Station werden beide Gebiete auch während der CryoSat-Mission besucht und bieten hervorragende Möglichkeiten zur Validierung. Das AWI hat die Möglichkeit, Bodenradar- und kinematische GPS-Messungen vorzunehmen, sowie von Flugzeugen aus Laser- und Eisradarmessungen der Eisoberfläche und -dicke durchzuführen. Zusätzlich werden Radar-Transponder benutzt, um die Eindringung der Radarwellen in den Firn zu untersuchen. Ausserdem wird Airborne Synthetic-Aperture Interferometric Radar System (ASIRAS) an einem der AWI-Polarflugzeuge montiert, welches von der ESA speziell zur Validierung und Vorerkundung des SIRAL in Auftrag gegeben wurde. Diese Messungen sollen auch über dem grönländischen Eis durchgeführt werden.

CryoSat-Daten und daraus abgeleitete Höhenmodelle werden ausserdem als Randbedingung für den Betrieb von Eismodellen benutzt.

Bestimmung verschiedener Gletscherfazies: U.C. Herzfeld, Uni Trier

Am Beispiel des Jakobshavn-Gletschers in Grönland wird gezeigt, sie sich verschiedene Fliessregime in verschiedenen Radarsignaturen auswirken, die als Gletscherfazies bezeichnet werden. Diese Fazies bilden sich sowohl in SAR als auch in Radaraltimeterdaten unterschiedlich ab. Mit einem speziell entwickelten Laser/GPS-Rauhigkeitsmesser kann die Rauhigkeit verschiedener Gletscherzonen mit einer Auflösung im Dezimeterbereich kartiert werden. Diese Daten können als Randbedingung für Streumodelle dienen, mit denen die Satellitendaten simuliert werden. Somit wird es möglich, verschiedenen Gletscherfazies verschiedene quantitative Oberflächeneigenschaften zuzuweisen.

Niederschlagsklimatologie/Meereiskonzentration: G. Heygster, Uni Bremen

Niederschläge, insbesondere Schneefall, verändern die Oberflächenhöhen auf kurzen Zeitskalen. Aus dem Fehlerbudget bei der Oberflächenhöhenbestimmung könnten sich deshalb Muster ergeben, die Rückschlüsse auf verschieden Akkumulationsgebiete erlauben. Ähnlich könnte man Effekte von Ablation und Evaporation erfassen.

Eine weitere Anwendung von CryoSat stellt die Bestimmung der Eiskonzentration dar. Dies betrifft sowohl die Beobachtung der Lage der Eiskante als auch die Bestimmung der Eisbedeckung innerhalb des geschlossenen Packeises. Aufgrund der synthetischen Apertur ist die Auflösung von CryoSat wesentlich höher als bei herkömmlichen Radaraltimetern. CryoSat-Daten können somit eine wichtige Ergänzung zu passiven Mikrowellenmessungen (SSM/I) darstellen.

Validierung von Meereismessungen mit SAR-Daten: T. König, DLR Oberpfaffenhofen

SAR-Daten bieten die Möglichkeit, die Eisoberfläche im Footprint des Radaraltimeters besser zu beschreiben, und die Trennung von Eis und Wasser zu unterstützen bzw. zu überprüfen. Aus einer Kombination von SAR und Radaraltimeterdaten können Algorithmen entwickelt werden, die die Ableitung bestimmter Eiseigenschaften wie Dicke und Rauhigkeit ermöglichen.

Validierung über Meereis/ Beobachtung von Meereis-Prozessen: C. Haas, P. Lemke, AWI Bremerhaven

Die Dynamik des Meereises, d.h. die Reaktion auf veränderliche Windrichtungen und -geschwindigkeiten, ist wesentlich von der Rheologie des Eises abhängig. Diese drückt sich in der Verteilung und Veränderung der Eisdickenverteilung aus. CryoSat bietet die Möglichkeit, die saisonale Entwicklung der Eisdickenverteilung in begrenzten Gebieten zu beobachten und mit den meteorologischen und ozeanischen Randbedingungen in Beziehung zu setzen. Dadurch lässt sich die Rheologie in numerischen Meereismodellen besser beschreiben.

Die Meereisoberfläche ist starken saisonalen Veränderungen unterworfen, die sich deutlich in den Mikrowelleneigenschaften widerspiegeln. Es soll untersucht werden, wie diese Veränderungen auch die Radaraltimetersignaturen beeinflussen. Daraus lassen sich dann beispielsweise Aussagen über den Beginn und das Ende der Schmelzsaison in sämtlichen meereisbedeckten Gebieten treffen.

Zur Validierung der CryoSat-Messungen stehen flugzeug- und hubschraubergetragene Laser- und Radrasysteme zur Verfügung, die entweder von Land oder von Spitzbergen aus eingesetzt werden sollen. mit Hilfe von hochauflösenden hubschraubergestützten Eisdickenmessungen sollen die Beziehungen zwischen Eisfreibord bzw. Oberflächenrauhigkeit/ Presseisrückenstatistik und Eisdicke hergestellt werden. Diese Messungen sollen mit zeitgleichen Überflügen von CryoSat und ASIRAS koordiniert werden.

 

 

Teilnehmerliste, kurze englische Zusammenfassung.